Gebühren ohne Grundlage

Stormarner Tageblatt  09.09.2022

Bad Oldesloe verschickt ungültige Bescheide für Unterbringung von Flüchtlingen und Obdachlosen

Die Flüchtlingsunterkunft in der Kastanienallee in Bad Oldesloe.  Patrick Niemeier
Die Flüchtlingsunterkunft in der Kastanienallee in Bad Oldesloe. Patrick Niemeier

Patrick Niemeier

Die Vorwürfe sind hart: Ohne eine belastbare, rechtliche Grundlage in Form einer gültigen Satzung hat die Stadt Bad Oldesloe wissentlich seit über einem Jahr Geld für die Unterbringung von Obdachlosen und Menschen mit Migrationshintergrund in Rechnung gestellt und kassiert. Das betonten erneut der fraktions- und parteilose Stadtverordnete Andreas Lehmann, Tom Winter von der Stadtfraktion und auch Torben Klöhn (SPD). Man müsse den Umstand so deuten, dass die Rechtsstaatlichkeit nicht gewahrt sei.

Satzung ist nicht mehr gültig
Fakt ist: Die Satzung, mit der geregelt wird, welche Gebühren für die Unterbringung von Flüchtlingen und Obdachlosen erhoben werden, ist nicht mehr gültig. Sie ist schlichtweg ausgelaufen und hätte längst überarbeitet und politisch neu beschlossen werden müssen. Vor allem die Gebührenkalkulation, die der entsprechenden Satzung zugrunde liegt, ist nicht mehr zeitgemäß. 2021 beliefen sich die Einnahmen für die Unterbringung in der Stadt Bad Oldesloe auf 708890 Euro. Muss dieses Geld nun zurückgezahlt werden?
Auf die Frage, ob Menschen eine Chance hätten, wenn sie Widerspruch gegen Bescheide einlegen, die sie im Briefkasten ihrer Unterkunft vorfinden, sagt Bürgermeister Jörg Lembke, dass die Berechnungen „anfechtbar, aber nicht nichtig“ seien. Allerdings sei es so, dass einem Widerspruch immer direkt stattgegeben werde, wenn dieser gegen einen Bescheid eingereicht werde, der ohne gültige Satzung ausgestellt wurde.
„Bisher ist mir allerdings nicht bekannt, dass es einen Widerspruch gegen die angesprochenen Bescheide gab“, sagt der Verwaltungschef auf Nachfrage. „Die entsprechenden Beträge werden ja bei der absoluten Mehrheit der Betroffenen auch in Gänze vom Jobcenter oder Kreis überwiesen. Das ist ja ein durchlaufender Posten für diese Menschen“, erklärt Lembke. „Ich habe auch den Behörden gegenüber ein gutes Gewissen“, fügt er an.
Kurz vor der Bürgermeisterwahl hatte der Stadtverordnete Andreas Lehmann das Thema auf die Tagesordnung gebracht und zugleich mit weiteren Lokalpolitikern den schlechten Zustand von Flüchtlingsunterkünften thematisiert. „Ich hatte bereits vor längere Zeit auf den Umstand mit der Satzung hingewiesen. Das war nun kein Skandal, den Herr Lehmann aufdecken konnte“, nahm der Bürgermeister im Hauptausschuss nochmal Bezug auf die damals erhobenen Vorwürfe.

Personalnot in der Verwaltung
„Es ist sehr kompliziert, eine entsprechende Gebührenkalkulation aufzustellen. Uns fehlte das Personal und wir brauchten auch eine neue Gebührenordnung für die Feuerwehr. Man kann nur einen Tod sterben und so haben wir uns dafür entschieden, die Satzung der Feuerwehr vorzuziehen“, sagt Lembke. Er gehe nicht davon aus, dass jetzt Rückforderungen von Behörden kommen, die Gelder aufgrund einer nicht mehr aktuellen Satzung an die Stadt überwiesen hätten. „Wir sollten ja nun in keinen Wettkampf verfallen, was bei wem gerade nicht läuft und das ausnutzen. Die Gelder stehen uns ja als Stadt auch zu“, sagt Lembke.

Kritik am Verhalten der Stadtverwaltung
Aus der Lokalpolitik gab es viel Kritik an der Verwaltung. Das Problem sei länger bekannt und man verstehe nicht, warum es nicht rechtzeitig angegangen wurde. „Es gibt Posten in der Verwaltung mit der Jobbeschreibung, sich um Satzungen und Kalkulationen zu kümmern. Ich höre immer nur, dass es nicht genug Personal dafür gab. Dann müssen wir da die Beschreibungen wohl ändern“, sagte Lehmann.
„Die Verantwortung liegt am Ende ganz klar beim Bürgermeister und ich möchte wissen, wann uns das mitgeteilt worden sein soll, dass es das Problem gibt. Wir lassen uns das als Lokalpolitik nicht vorwerfen, dass wir angeblich hätten handeln können“, ergänzte Ex-Bürgermeisterkandidat Tom Winter.
Lehmann schlug als Antrag vor, dass kurzfristig eine Satzung auf Grundlage der Höchstsätze des Kreises ausgearbeitet werden soll, bis die Verwaltung eine eigene Kostenkalkulation vorlegen könne. Diesem Antrag wurde im Hauptausschuss schließlich einstimmig zugestimmt. „Wir sollten jetzt schnell eine gültige Lösung haben. Es sind Fehler passiert, aber jetzt sollten wir uns auf eine sachliche Diskussion konzentrieren“, sagte Jörn Lucas (CDU). „Es wäre gut zu wissen, ob es noch mehr Satzungen gibt, die nicht mehr gültig sind“, führte er weiter aus.
Wolfgang Schmidt von den Freien Wählern warnte allerdings vor „einem Tribunal“. Er habe das Gefühl, die Verwaltung werde zu hart angegriffen.

Gebührenkalkulation ist sehr aufwendig
Bürgermeister Lembke wies darauf hin, dass ohne akkurat berechnete Kostenkalkulation die Bescheide trotzdem noch nicht gegen Widersprüche ausreichend geschützt seien. „Wir können aber eine vorübergehende Satzung bis November 2023 vorlegen“, versprach er. Wie lange es dauern werde, um die Gebühren richtig zu kalkulieren, sei hingegen nicht so schnell zu beantworten.
„Es müssen am Ende die real entstehenden Kosten genau benannt werden. Aber wir haben sehr unterschiedliche Unterbringungsmöglichkeiten von Wohnungen über Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünften bis zur Turnhalle“, sagte Lembke. „Das klingt oft einfacher, als es ist. Das kann man nicht schnell mal nebenbei machen“, erläutert der Bürgermeister.

 
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