Stormarner Tageblatt 07.01.2023
Rücksicht, Freiheit und die Böllerei
von Patrick Niemeier, Finn Fischer und Joshua Hirschfeld
Knallende Sinnlosigkeit
Ein Punkt ist Fakt: es gibt kaum eine sinnlosere Umweltverschmutzung als die alljährliche Böllerei. Auch in diesem Jahr war der Himmel über Stormarn in der Silvesternacht voller Raketen und die Böllerei begann schon Tage vor Silvester und dauerte im neuen Jahr an. Ja, ja – es ist schon klar, dass jetzt wieder Gejammer einsetzt: „Das ist aber eine Tradition.“ Aber im Ernst: Wer böllert eigentlich noch? Wer schießt sinnlos überteuerte Raketen in den Himmel? Wer das restliche Jahr über Klimaschutz auch nur im Ansatz spricht, kann es nicht sein. Wer sich angeblich für das Wohl von Tieren interessiert, kann es nicht sein. Wer Rücksicht auf traumatisierte oder sensible Menschen einfordert, kann es nicht sein. Alle, die behaupten, sie würden sich für das Wohl und die Belastung von Feuerwehren und Rettungsdiensten interessieren, können es nicht sein. Natürlich kommt dann von den Knaller-Fans die Diskussion über die „persönliche Freiheit“ auf. Es sei unmöglich, jetzt die persönliche Freiheit der Menschen durch ein Bölllerverbot zu beschränken. Die Freiheit allerdings endet genau dort, wo sie die Freiheit der Mitmenschen beschädigt. Wer böllert, verhält sich rücksichtslos. Das lässt sich durch keine „Tradition“ oder „Freiheitsdefinition“ schönreden. Was für eine erbärmliche „Freiheit“ ist es eigentlich, die sich über das Recht zu Böllern definieren muss? Es gibt keine logischen Argumente mehr für die Böllerei.
Die Zeit ist reif für ein Böllerverbot
Sobald es in den Läden Böller zu kaufen gibt, geht das Geknalle los und meine Hündin verkriecht sich im fensterlosen Wirtschaftsraum hinter der Waschmaschine. Nachdem sie am 30. Dezember noch bei jedem Knall zusammenzuckte, setzte bis zum Silvesterabend eine Art zittrige Gewöhnung ein. Meine Hündin gehört damit noch zu den Tieren, die den Krach relativ gut wegstecken. Mein mittlerweile verstorbener Kater verbrachte drei Tage im Keller. Er hatte Todesangst. So geht es vielen Hunden und Katzen, Wild- oder Nutztieren. Sie haben Panik. Ja, auch ich habe in meinem Leben schon Feuerwerkskörper gekauft, weil ich mir über das, was dieser Mist anrichtet, keine Gedanken gemacht habe. Jetzt mache ich mir Gedanken. Nicht nur über die Tiere, sondern auch über die Umwelt. Seit Beginn der Aufzeichnungen war es an einem Jahreswechsel noch nie so warm. In diesem Wissen nur so aus Spaß haufenweise Müll und Feinstaub zu produzieren und das dann „Tradition“ zu nennen, ist absurd, ja fast zynisch. Wer Umwelt und Tiere nicht hasst, sollte Raketen und Böller freiwillig im Laden lassen. Für alle anderen braucht es ein Feuerwerksverbot.
Der kleinste Strohhalm
Wenn alles festgefahren ist, die Lage aussichtslos erscheint, ist sie manchmal das Einzige, was bleibt: Hoffnung. Wo wäre das sichtbarer als im Nahostkonflikt. Seit Jahrzehnten ringen Israelis und Palästinenser in einem blutigen Kampf um Land, Religion und Macht. Und seit Jahrzehnten verlaufen Versuche zur Lösung des Konflikts im Sande. Und trotzdem: Jede Bemühung, möge sie noch so klein sein, ist wertvoll.
So wie die von Hartmut Jokisch. Seit vielen Jahren koordiniert er die Oldesloer Städtepartnerschaften mit Ben Yaacov und Jifna. Bad Oldesloe ist eine von nur vier deutschen Städten mit Partnerstädten in Israel und Palästina. Jokisch wünscht sich, dass er früher oder später einen Austausch zwischen beiden Städten herstellen kann. Das mag utopisch klingen. Und doch: Manchmal muss man sich selbst an den kleinsten Strohhalm klammern. Wo bleibt sonst die Hoffnung?